Grand Prix du Paradis, Jena: Ein Eldorado bei Tag und Nacht

Könige der Nacht: Richard Wendt und Marcel Neumann
Könige der Nacht: Richard Wendt und Marcel Neumann

Die Jenaer Nebenbouler hatten ihrem alljährlichen Bouleturnier einen neuen Namen verpasst, passend zum neuen Austragungsort im Stadtpark Jena-Paradies. Paradiesische Zustände versprach auch das spätsommerliche Wetter, und wer zuvor die verregnete Chemnitzer Stadtmeisterschaft miterlebt hatte, den konnte das gebotene Kontrastprogramm nur erfreuen. Dementsprechend zahlreich auch die Partizipanz: 40 Doublette-Formationen hatten sich in der idyllischen Parklandschaft eingefunden. Sie kamen zumeist aus den gängigen Trutzburgen des PV Ost, also aus Dresden, Chemnitz, Leipzig, Halle, Weimar, Kahla und Jena, aber auch aus dem weit entfernten Berlin wurde Personal gesichtet.

Kaum Kontrast gab es bezüglich des Spielsystems. Wie in Chemnitz spielte man zunächst drei Vorrunden im Schweizer System, dann allerdings erfolgte die Aufteilung in die A- und B-Turniere mit jeweils sechzehn Teams, sodass die K.O.-Runde mit dem Achtelfinale begonnen wurde. Die übriggebliebenen acht Doublettes fanden sich im C-Turnier wieder.

Am Start wiederum der für Osterholz-Scharmbeck spielende DM-Star Mahmut Tufan, der aufgrund seines Zuzugs nach Dresden unsere regionalen Turniere immer wieder einmal mit seiner Teilnahme bereichert. Er musste allerdings in Jena auf seine Standard-Partnerin Laura Schneider verzichten, die parallel in Mersin/Türkei an der Damen-EM teilnahm und dort zusammen mit Carolin Birkmeyer, Muriel Hess und Indra Waldbüßer die Bronzemedaille errang. In seiner Trainingsgruppe in Dresden fand er jedoch im altgedienten La Boule Rouge-Haudegen Hanns-Werner Leithold einen geeigneten Mitspieler, mit dem zusammen er sämtliche Partien bis einschließlich des Halbfinales klar dominierte.

Dabei hatten sich einige der Kontrahenten durchaus ins Gespräch gebracht. Den aufstrebenden Dresdner Jungtalenten Paul Förster und William Kern etwa gelang in der dritten Vorrundenbegegnung ein beachtenswertes 10:9 gegen unseren Tireur DM-Champion Jens Riedel, der an der Seite von Albert Wendt (Dresden) spielte. Dann, im Viertelfinale gegen Hanns-Werner und Mahmut, war deren Flasche mit einem Mal leer, und es gelang ihnen nicht annähernd, die vorher gezeigten Leistungen zu wiederholen. Die Folge war das Kassieren einer entmutigenden Fanny, ein Ergebnis, das anschließend im Halbfinale von den Jenaer Aushängeschildern Peter Adrian und Volker Drusche nicht wesentlich übertroffen wurde. Denen gelang es zwar, mit der ersten Aufnahme ein Ausrufezeichen zu setzen und einen Punkt zu machen, die weiteren fünf Aufnahmen der Partie gingen jedoch problemlos an HW und Mahmut. Besonders frustrierend war dabei für die Jenaer, dass ihr „bestes Boule“, das sie in den vorangegangenen Partien noch hatten aufblitzen lassen, da wo es unbedingt gebraucht wurde plötzlich verlustig gegangen war.

Jeder der anwesenden Zuschauer rechnete nun mit einer raschen Durchführung des Finalspiels, zu dem sich neben HW und Mahmut überraschend der Chemnitzer Marcel Neumann und der Dresdner Richard Wendt qualifiziert hatten. Diese neu zusammengestellte Kombination war gegen Jens und Albert trotz zwischenzeitlich klarer Rückstände (0:6 und 6:10) am Ende nicht mehr zu stoppen gewesen und hatte sich nicht nur in einem „zweiten Atem“ mit 13:10 durchgesetzt, sondern gleichzeitig auch das von vielen ersehnte „Duell der DM-Helden“ zwischen Jens und Mahmut verhindert.

Im Finale hatten sich jedoch die äußeren Voraussetzungen schlagartig verändert. Die Dunkelheit hatte eingesetzt, und es wurde allmählich kalt. Nicht so schlimm, dachten die meisten Zuschauer auf ihren eiligst an die Spielfeldränder herangetragenen Bänken, in optimistischer Erwartung einer nicht zu sehr ausgedehnten Zeit des Fröstelns. Der zuvor so eindrucksvoll präsentierten Spielstärke der klaren Favoriten konnte mit Sicherheit vertraut werden.

Doch die Begegnung beginnt ungewohnt schleppend. HW zeigt mit einem Mal vorher nicht zu beobachtende Legschwächen, und auch Mahmut gelingen beileibe nicht alle Schüsse. Die Außenseiter führen mit 2:0, später mit 4:1 und dann gar mit 7:1. Dann aber trifft Richard unglücklich die eigene Kugel, und auch sein anschließender Schuss geht daneben. Mahmut und HW nutzen diese Vorlage zu ihren Gunsten und kommen auf 5:7 heran. Alles scheint wieder im Lot…

Aber dieser Eindruck täuscht. Insgesamt gelingt Mahmut nur eine für ihn unterirdische Trefferquote von 36%. Liegt es an den Sichtverhältnissen? Die Jenaer Organisatoren geben sich alle nur erdenkliche Mühe und bringen potente Lichtstrahler in Stellung. Doch besonders für die Leger wird es problematisch, denn das Terrain ist einfach nicht mehr so gut lesbar wie bei Tagesbedingungen.

Erstaunlich gut zurecht kommt aber Marcel. Ist er mit den Augen einer Katze ausgestattet? Jedenfalls gewinnt er das Legeduell mit HW um Längen, und die Chemnitz-Dresdener Kombination zieht bis auf 12:5 davon.

Nun endlich drehen die Favoriten. HW übernimmt den Part des Schießers, und siehe da, seine ersten vier Schüsse entsorgen sauber das Eisen. Ein Dreierpack gelingt, es steht 8:12, der Turnaround, warum auch nicht, ist durchaus noch erreichbar.

Die nächste Aufnahme wird auf sieben Meter gespielt. Mahmut legt die Kugel bis knapp vor die Sau, setzt den Gegner unter Druck. Der ist beeindruckt, aber nur ein einziges Mal, beim zweiten Versuch befördert Richard das störende Eisen eiskalt ins Jenseits. Mahmut legt wieder den Punkt, aber die Sau liegt einen guten Meter rechts von seiner Kugel. Das kann Marcel problemlos toppen, seine Kugel liegt 20 cm rechts vom Zielpunkt. Klack! HW trifft wieder, es ist der vierte seiner Schüsse. Marcel legt kurz vor das Schweinchen, eine Entfernung von einem Meter reicht für den Punkt. Mahmut gelingt das deutlich besser, aber dann kontert Marcel, ist um 1o cm näher an der Sau.

Drei Kugeln sind noch im Spiel, zwei davon hat HW. Er setzt an zu seinem fünften Schuss und… trifft diesmal nicht! Auch die Korrektur misslingt, es ist aus, Richard braucht seine Kugel nicht mehr spielen, er und Marcel sind die umjubelten Sieger!

Die Problematik bleibt: Tag oder Nacht oder Tag und Nacht? In der Tschechischen Republik beginnen die Turniere generell um neun Uhr morgens, das wäre auch für unsere Lande eine überlegenswerte Idee. Das Finale könnte dann bei Tageslicht ausgetragen werden, mit den gleichen Voraussetzungen wie vorher und mit einem gesteigerten Spaßfaktor für die Zuschauer. Auf der anderen Seite ist Pétanque aber auch eine Vielseitigkeitsdisziplin, in der das Zurechtkommen unter den verschiedenartigsten Voraussetzungen getestet wird. Es gibt Regenspieler, es gibt Schönwetterspieler. Und es gibt Spieler, die ganz besonders in der Nacht aufblühen. Auch solche seltene Gewächse sollten Gelegenheit haben, ihre Qualitäten zu zeigen…

Die wesentlichen Ergebnisse und Platzierungen:

Finale, A-Turnier:

Marcel Neumann/Richard Wendt (Chemnitz/Dresden) – Hanns-Werner Leithold/Mahmut Tufan (Dresden/Osterholz-Scharmbeck): 13:8

Spiel um Platz 3, A-Turnier:

Albert Wendt/Jens Riedel (Dresden/Leipzig) – Volker Drusche/Peter Adrian (Jena): 13:9

Viertelfinal-Verlierer:

Edeltraud Lorenz/Ingo Wonsack (Leipziger Land/Kahla), gegen Neumann/R. Wendt

William Kern/Paul Förster (Dresden), gegen Leithold/Tufan

Leo Schwartze/Bruno Wilk (Leipzig), gegen A. Wendt/Riedel

Michael Balazs/Detlef Schwede (Chemnitz), gegen Drusche/Adrian

 Ergebnisse Halbfinale:

Neumann/R. Wendt – A. Wendt/Riedel: 13:10

Leithold/Tufan – Drusche/Adrian: 13:1

 

SIEGER GRAND PRIX DU PARADIS: MARCEL NEUMANN/RICHARD WENDT

 

Finale, B-Turnier:

Stephan Laudien/Erik Heldt (Weimar) – Fabian Böttcher/Stephan Weigel (Chemnitz): 13:12

Sieger C-Turnier:

Martin Haupt/Peter Blank (Jena)

 

 

 

 

 

One Reply to “Grand Prix du Paradis, Jena: Ein Eldorado bei Tag und Nacht”

  1. Schöner Bericht, guter Denkanstoß zu „Tag/Nacht“ – das könnt Ihr im LV ja mal ausdiskutieren, Glückwunsch an alle „Helden der Nacht“ und speziell an Ricard, ähm, Richard 🙂