Chemnitz bei der Bundesliga-Qualifikation in Düsseldorf: Mehr als nur ein Farbtupfer!

Die Chemnitzer in ihren neuen Trikots (Bildquelle: DPV)
Die Chemnitzer in ihren neuen Trikots (Bildquelle: DPV)

Bereits zum Training am Freitagabend präsentierten die Chemnitzer stolz ihre neuen farbenfrohen Trikots, während alle ihre Gegner in blasser Alltagskluft antraten und dabei gelegentlich einen verwunderten Seitenblick auf die bunten Paradiesvögel warfen, die für sie bis dato in der Pétanqueszene nichts weiter als unbeschriebene Blätter darstellten. Sollte man die Exoten aus der östlichen Peripherie etwa besonders beachten, nur weil sie außergewöhnlich angezogen waren?

Die erste Probe aufs Exempel machte bei der Wettkampfsrunde am Samstag der Teilnehmer aus Hessen, La Boule Joyeuse Wiesbaden, in der Liste der in der Düsseldorfer Boulehalle vertretenen Vereine mit 642 Punkten der Primus und daher an Nummer eins gesetzt. Chemnitz hingegen belegte in dieser Rangfolge mit kümmerlichen 51 Punkten abgeschlagen den letzten Platz und musste demzufolge als größtmöglicher Außenseiter angesehen werden.

Einer der Akteure der „fröhlichen Kugel“-Formation war mit Peter Weise immerhin der amtierende DM-Vizemeister der Tireure. Just dieser konnte in der Anfangsphase seiner Triplette-Begegnung seine Schüsse jedoch nicht so erfolgreich gestalten wie gewünscht oder erwartet, sodass er seine Position mit einem Mitspieler austauschen musste. Erst jetzt kämpften sich die Wiesbadener in die Partie herein, drehten den überraschenden 0:8-Startrückstand noch um und konnten ihrerseits mit 11:8 in Führung gehen. Alles schien nur einer zumindest unterbewussten Unterschätzung des No-Name-Gegners geschuldet, nun würde sich die überlegene Klasse der eigenen Spielkunst durchsetzen.

Tatsächlich? Chemnitz nimmt eine taktische Auswechslung vor (Gert „Karo“ Schwarz für Marcel Neumann) und verzeichnet nun ungeahnte Steher-Qualitäten. Nach zwei weiteren Aufnahmen steht es 11:11, und bereits an dieser Stelle versemmelt Frontman Hartmut Lohß einen „Schuss für Schluss“. Das gute Ende wird damit allerdings nur vertagt, denn in der anschließenden Aufnahme muss der PV Ost-Expräsi nicht einmal mehr selbst zur Kugel greifen, seine Lakaien erledigen diese Aufgabe für ihn, sei es durch überragende Legwürfe (Karo) oder Schüsse (Benjamin Müller). Zu Hilfe kommen zudem auch noch die hessischen Gegner, indem sie ihre eigene Kugel wegschießen… (das Video zum Text: https://www.youtube.com/watch?v=EkN6ffIStxg)

Beim gleichzeitig stattfindenden Mixte-Triplette verläuft der Spielverlauf zunächst umgekehrt: Wiesbaden geht klar in Führung (5:1, später 7:3), aber dann gelingt Antje Müller, Stephan Weigel und Fabian Böttcher der Turnaround und es steht 11:8. Wiesbaden zieht den letzten Joker und tauscht die Dame aus, aber der neu ins Spiel gekommenen Natascha Sieling unterläuft ein fataler Fehler: Sie zieht unglücklich die Sau und ermöglicht damit den 13:8-Endstand für Chemnitz.

Freude nach ihrem großen Sieg: Stephan und Hartmut
Freude nach ihrem großen Sieg: Stephan und Hartmut

Unglaublicherweise steht es nun insgesamt 2:0 für Chemnitz, aber den Steigerungsmöglichkeiten sind damit mitnichten Grenzen gesetzt. In ihrem Doublette haben Hartmut und Stephan einen unwiderstehlichen Lauf, schnüren in acht Aufnahmen ihrem Gegner die Fanny. Zusätzlich gewinnen auch noch Antje und Fabian ihr Mixte mit 13:8, da ist die klare 2:13-Niederlage im zweiten Doublette zu verkraften. Chemnitz gewinnt die Begegnung mit 4:1 und ist nach einer Spielrunde Tabellenführer!

Aber sind die Chemnitzer auch ein ernstzunehmender Aufstiegskandidat? In der Begegnung gegen Saarbrücken nehmen sie zumindest einen Teil der Euphorie mit und gewinnen in der Formation Stephan/Fabian und Rita Böttcher unangefochten das Mixte-Triplette mit 13:4. Aber das Männer-Triplette muss nach gutem Auftakt (3:0) am Ende klar mit 5:13 die Segel streichen. Die überaus aufstiegsambitionierten Saarbrücker, die sich durch die Abgabe des Mixte in ihrer Ehre gekränkt fühlen, lassen in den nachfolgenden Doublettes den Chemnitzern keinerlei weitere Entfaltungsmöglichkeiten. Sie gewinnen zweimal zu vier und einmal zu zwei, sodass Spielführer Hartmut neidlos anerkennen muss: „Sie sind in allen Belangen eindeutig besser!“

Die Resignation währt allerdings nur kurz, in der Begegnung gegen den Niedersachsen-Vertreter TSV Krähenwinkel-Kaltenweide hält Chemnitz wieder tapfer dagegen. Das Triplette 1 verliert zwar mit 8:13, dafür hält wiederum das Mixte (Rita, Fabian, Stephan) die eigenen Farben oben. Beim Stande von 9:9 gelingt scheinbar ein Viererpack zum Sieg, und einer der Gegner streckt schon die Hand aus zur Gratulation, aber da meinen seine Teamkollegen plötzlich, man könne ja zur Sicherheit doch besser noch einmal nachmessen. Das Unglaubliche tritt ein, die vierte Chemnitzer Kugel ist wegen lächerlicher zwei Millimeter nicht Punkt. Von diesem Schock erholen sich die Orange-Schwarzen nicht mehr, nach zwei weiteren Aufnahmen hat man die Partie doch noch mit 12:13 abgegeben…

Eine Teambesprechung wird einberufen, die vermeintlich stärksten Doublette-Formationen sollen die Begegnung doch noch rumreißen. Zweimal geht das Kalkül auf, das auf zahlreichen Turnieren eingespielte Mixte Antje/Stephan gewinnt zu 7, auch auch die Männerformation Benny/Fabian ist erfolgreich (zu 9). Aber ausgerechnet Hartmut kann es diesmal nicht biegen, zusammen mit Karo unterliegt er dem Gegner klar mit 5:13. 2:3 ist der Gesamtstand, eine dumme und unnötige Niederlage beschließt für die Chemnitzer den ersten Tag und verbietet erstmal jegliche Aufstiegsträume.

Gut ausgeruht und wieder frischen Mutes betreten die Chemnitzer am Sonntagmorgen wieder den Platz. Jetzt zwei Siege, und sie sind wieder „oben dabei“. Boule Devant Berlin ist der nächste Gegner, und in dieser Formation entdecken sie einen alten Freund: Maik Kerner, der ehemalige Sportwart des PVT, und lange Zeit für Bamboule Halle aktiv. Doch die Begegnung gegen ihn und seine Mitstreiter Laurent Brizard, ebenfalls ehedem für Halle aktiv, und Florian Gerlach geht klar verloren, zwar gelingt zwischenzeitlich eine 6:4-Führung, aber anschließende Dreier- und Viererpacks besiegeln das Schicksal. Wieder kommt das Mixte, diesmal sogar mit zwei Damen bestückt, zu Hilfe: Rita, Antje und Stephan sorgen mit ihrem 13:6-Erfolg dafür, dass das Fünkchen Hoffnung erhalten bleibt.

Auch bei den Doublettes ist das Mixte erfolgreich: Antje und Stephan gewinnen mit 13:6. Aber die Ex-Hallenser Maik und Laurent betätigen sich in ihren jeweiligen Doublettes als Totengräber für Chemnitz und schaufeln unseren Männern ein 13:0 und ein 13:2-Grab.

Nun geht es in der letzten Begegnung gegen die Unterfranken aus Mechenhard, die sich erstmalig in der Bayern-Liga durchsetzten und namhaftere Vereine wie Schweinfurt, Regensburg, Hof und Nürnberg auf die Plätze verweisen konnten, nur noch darum, den letzten Platz zu vermeiden und in der Tabelle wieder ein Stück nach oben zu klettern. Das Unterfangen gelingt eindeutig, und wieder sind es die Mixte-Formationen, die die entscheidenden Ausrufezeichen setzen: Antje, Hartmut und Stephan gewinnen klar mit 13:3, Antje und Stephan anschließend dann sogar mit 13:2. Fabian und Benny gelingt in einem kuriosen Spiel nach 0:9-Rückstand noch die Wende, weil die Mechenharder unerklärlicherweise das Spielen einstellen und je einen 5er und 4er-Pack zulassen. Fabian und Benny gewinnen noch mit 13:12, Chemnitz die Begegnung am Ende mit 4:1.

In der Endtabelle der Aufstiegsrunde platziert sich Chemnitz auf Rang 6, ein Ergebnis, das sich bei genauerer Betrachtung sogar noch um zwei Positionen verbessert hätte, wäre das Mixte-Triplette in der Begegnung gegen Krähenwinkel nicht wegen zwei Millimetern so unglücklich gegen Krähenwinkel verloren worden. Und dann wäre man nur noch einen Spielgewinn von Boule Devant Berlin entfernt, dem dritten Aufsteiger in die Bundesliga.

Chemnitz pocht am Tor zur Bundesliga – noch vor ein paar Jahren hätte jedermann eine solche Vorstellung als spinnertes Fantasiegebilde abgetan. Ermöglicht wurde dieser größte Erfolg der 18jährigen Vereinsgeschichte vornehmlich durch den Zulauf an jungen, ambitionierten Spielern in den letzten Jahren, Spielern, die bereit sind, einen nicht unerheblichen Teil ihrer Freizeit in die Ausübung ihres Sports zu investieren. Und das Ende der Aufwärtsspirale scheint noch nicht erreicht:  In leuchtend oranger Signalfarbe sendet der Verein ein deutliches Zeichen an die Konkurrenz und kündet von zukünftigen großen Taten.

Eine historische Tabelle!
Eine historische Tabelle!

Platz

Mannschaft

Punkte

G

V

Spiele

S-Diff.

Spielpunkte

SP-Diff.

1

Freiburger Turnerschaft

4

4

1

17 : 8

9

284 : 203

81

2

PF Saarbrücken

4

4

1

16 : 9

7

  267 : 208

59

3

Boule Devant Berlin

3

3

2

15 : 10

5

248 : 222

26

4

ABC Hamburg

3

3

2

13 : 12

1

227 : 253

-26

5

TSV Krähenwinkel

3

3

2

11 : 14

-3

233 : 246

-13

6

1. Chemnitzer PC

2

2

3

13 : 12

1

221 : 240

-19

7

LBJ Wiesbaden

2

2

3

12 : 13

-1

232 : 225

7

8

BC Herxheim

2

2

3

11 : 14

-3

228 : 236

-8

9

PF Marl-Lüdinghausen

1

1

4

9 : 16

-7

220 : 253

-33

10

1. BC Mechenhard

1

1

4

8 : 17

-9

205 : 279

-74

Ergebnisquelle: http://www.deutsche-petanque-bundesliga.de/index.php?id=957

Auch den Hut hat Chemnitz schön: Fabian Böttcher, zusammen mit Benjamin Müller
Auch den Hut hat Chemnitz schön: Fabian Böttcher, zusammen mit Benjamin Müller

 

Teambesprechung: Fabian, Hartmut und Benjamin
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Überragende Legefrau: Rita Böttcher
Überragende Legefrau: Rita Böttcher
Orange-Schwarze Farbtupfer: Die Chemnitzer in Düsseldorf
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Erfolgreiches Triplette: Antje, Hartmut und Stephan
Erfolgreiches Triplette: Antje, Hartmut und Stephan