von Detlef Schwede
Schweizer System noch zeitgemäß?
Die Jenaer hatten erfolgreich die Werbetrommel gerührt, sodass trotz durchwachsenen Wetters mit 36 Doublettes ein neuer Teilnehmerrekord verbucht werden konnte. Mit 19 Boulisten und Boulistinnen schoss Bamboule Halle hierbei den Vogel ab, gefolgt von Jena (14), Erfurt und Dresden (je 9), Kahla (7), Weimar 3, Nordhausen, Leipzig und Chemnitz (je 2). Hinzu kamen einige “Exoten“ mit PVT-Affinität, etwa aus Kassel, Frankfurt und dem bayrischen Rötenbach, sowie als illustrester Teilnehmer der Bundesligaspieler Hannes Haller von der Münchner Kugelwurfunion, der derzeit in Halle studiert.
Als Spielsystem wurde gemäß Jenaer Tradition das Schweizer System gewählt, eine Entscheidung, die jedoch allseits auf Unverständnis, ja Ablehnung stieß. Hatte sich das in den meisten PVT-Veranstaltungen der letzten Zeit bevorzugte Maastrichter System mit 3 Schweizer Runden und anschließender Aufteilung in K.-o.-Turniere nicht bestens bewährt und für spannende Abläufe gesorgt? Die Nachteile und Gefahren eines durchgängigen Schweizer Modus liegen hingegen klar auf der Hand: Unmotivierte Teams, die sich nach Auftaktniederlagen aller Chancen beraubt sehen, noch auf das Podium vorzustoßen, spulen ihr restliches Programm lustlos ab oder verlassen sogar die Veranstaltung, wodurch das auf Errechnung von Buchholzpunkten basierende Ergebnis gnadenlos verfälscht wird. Außerdem verliert das Event an Flair, da das Spiel der Punktbesten in der letzten Runde nicht von einer angemessenen Zuschauerzahl verfolgt werden kann, da die übrigen Spieler noch mit zum größten Teil “nutzlosen“ eigenen Partien beschäftigt sind.
Ein weiterer Punkt, der selbst erfahrenen Boulisten (oder vielleicht vor allem diesen?) die Zornesröte ins Gesicht trieb, war der Zustand des Platzes. War der Boden am Morgen wegen vorangegangener Regenfälle noch tief genug, um Halbportéewürfe zu begünstigen, wurde er im Laufe des Turniertages immer härter und unberechenbarer, sodass selbst die Auswahl eines geeigneten Données schwierig bis unmöglich gemacht wurde. So ergaben sich einige überraschende Ergebnisse mit Siegen von besseren Hobbyspielern, die tiefere Bouleweisheiten in ihre den Legwurf vorbereitenden Überlegungen nicht einbezogen und trotzdem eine erstaunliche Zahl von Kugeln vor die Sau bekamen, die wiederum von den Tireurspezialisten nicht leicht wegzubekommen waren, da auf diesem Terrain saubere Eisenschüsse angesagt waren.
Nichtsdestotrotz setzten sich am Ende arrivierte Größen unseres Verbandes durch. Im entscheidenden fünften Match standen sich nach zuvor jeweils vier Siegen Andrey Kriwoscheew/Marco Niemann (Jena) und Gundolf Henschel/Bastian Pelz (Halle) gegenüber und lieferten sich nicht nur einen spannenden und bisweilen hochklassigen Fight, sondern auch einen lang andauernden, sodass die übrigen Spieler wenigstens in der Schlussphase als Zuschauer präsent sein konnten. Hier konnten sie verfolgen, wie die Jenaer über 10:8 und 11:9 dem Matchgewinn näherzurücken schienen, aber doch noch den 11:11-Ausgleich kassieren mussten. Dann die letzte Aufnahme: Gundolf legt zweimal an die Sau und wird dabei einmal “eisenmäßig“ von Andrey entsorgt. Beim zweiten Versuch unterläuft Andrey dann jedoch ein bedauerlicher Fauxpas: er trifft die eigene zuvor von Marco gelegte Kugel! Anschließend verlegen sowohl Marco als auch Andrey ihre restlichen Kugeln knapp. 12 liegt, aber mit seiner anschließend eindeutig zu weit gelegten Kugel sorgt Gundolf nicht für einen möglichen “Schuss für Schluss“. Muss auch nicht sein: Bastian legt seine Kugel einfach zwischen die Sau und Jenas beste Kugel. 13 liegt und die Glückwünsche gehen nach Halle!
Wenn Boule zu einem solch verkrampften Spiel wird, wie vom Sportsfreund Detlef beschrieben, dann möchte ich meine Kugeln lieber nicht mehr an sonnigen freien Tagen in die Hand nehmen – zumal es sich um ein offenes Turnier handelte. Und sollten tatsächlich vermeindliche Favoriten nach dem ersten Spiel bereits die Lust verloren haben, dann kann ich vor Traurigkeit nur schluchzen und werde die Vorteile dieses Spiels meinem Sohn nicht mehr vermitteln. Nachdem ich im letzten Jahr feststellen konnte, bei einer lustigen Runde mit 70jährigen Korsen (Schwiegervater stammt von Korsika und spielt seit über 50 Jahren), dass gute Spieler auf beinahe jedem Untergrund spielen, muss ich damit leben, dass er grinsend diesen Artikel las. Als besserer Hobbyspieler bin ich froh und dankbar, die Möglichkeit zu haben mich mit Profis auch einmal messen zu können und dafür gilt mein Dank den Organisatoren. Das auch wir recht gut abgeschnitten haben macht uns zufrieden und es tut mir sehr leid, wenn die ein oder andere Kugel zu nah am Schweinchen landete und unsere Donnees im Blick liegen. Dafür entschuldige ich mich und das hätte natürlich nie passieren dürfen. Also Dank nach Jena, wir werden Hobbyspieler bleiben um nicht zu verkrampfen und Glück Auf