Neunte Landforstvizemeisterschaft, Dresden: Baum der Stärke erstmals in weiblicher Hand!

Anja Herrmann freut sich über den Baum der Stärke!

Nach dem Tiefpunkt im letzten Jahr mit nur noch 21 Tête-Spielern oder Spielerinnen gab es bei dieser Neuauausgabe des PV Ost-Traditionsevents immerhin wieder einen leichten Anstieg bei der Teilnahme zu verzeichnen, obwohl die Zahl 25 natürlich bei weitem nicht an die der Boom-Jahre 2012 und 2013 heranreicht, wo sich jeweils über 40 Akteure um den Silberbaum scharten und teilweise aus weit entfernten Orten wie etwa Berlin anreisten, in der Hoffnung wenigstens etwas von seiner Stärke zu erhaschen.

Dabei ist dieser Mythos durchaus nicht aus der Luft gegriffen. In der Vergangenheit haben erwiesenermaßen die zeitweiligen Besitzer dieses Baumes durchaus an Spielstärke zugelegt. Beispielsweise gelang es dem diesjährigen Baumverteidiger, dem für Chemnitz startenden Detlef Schwede, immerhin seine Tireur-Trefferquote in etwa zu verdoppeln.

Und auch bei der 2019er Edition überzeugte der „Kranich“ durch ungewohnte Schusssicherheit und konnte in der Vorrunde nur durch den Leipziger Karl Blütchen entzaubert werden. Im anschließenden Viertelfinale gegen den Oberlausitzer Mario Weidner musste er dann gar nicht mehr so sehr als Schießer hervortreten und gewann eher durch seine Legkünste, die auf einer der von ihm präferierten mittleren Bahnen, auf denen ein berechenbares Halbportée-Legen auf ebenem, leicht weichem Untergrund möglich war, in Erscheinung treten konnten.

Kontrastreich ging es weiter, zumindest was den Boden anging, denn auf den Showcourts 1+2 befindet sich ein holprig-hartes, steinübersätes Terrain, das bei dem bemühten Leger oftmals für entgeistertes Stirnrunzeln sorgt, angesichts der Erfolglosigkeit seiner sorgfältig geplanten Wurfaktionen.

Hier verlegte Detlef seine ersten Kugeln in völlig sinnloser Weise und musste dem Gegner, bei dem es sich zu allem Überfluss auch noch um seinen Vorrundenbezwinger Karl Blütchen handelte, einen klaren Vorsprung einräumen. Erst allmählich konnte er sich auf den ungeliebten Boden so halbwegs einstellen und punktete auch durch den einen oder anderen Schusstreffer, so etwa besonders eindrucksvoll als er Karls auf zehn Metern genau zwischen zwei eigenen gelegene Kugel sauber entsorgte.

Aber es gelang nur ein Herauszögern der sich schon lange abzeichnenden Niederlage, am Ende zog Karl  mit 13:9 noch relativ souverän in sein erstes Landforstvizefinale ein.

Hier traf er auf eine andere „Novizin“, die Dresdnerin Anja Herrmann, die im gesamten Turnierverlauf die Prognosen auf den Kopf gestellt hatte. So etwa gelang ihr in der Vorrunde unter anderem ein 13:12 gegen den klar favorisierten Vereinskameraden Tom Tschintscharadse, als sie in der letzten Aufnahme die Sau so tödlich mehrere Meter nach vorne zog und dabei mit der Kugel an ihr kleben blieb, dass ihr Gegner nur noch entnervt die Waffen strecken konnte.

Noch größere Coups gelangen ihr dann im Viertelfinale, als sie den Seriensieger und Landforstvize-Erfinder Andreas Endler besiegte und anschließend auf dem Showcourt 1 auch noch die „Tiddel“-Offensive abwehrte.

Anja steuerte also zielsicher auf den imposanten Baum der Stärke zu, erweckte dann aber im Finale keineswegs den Eindruck als wolle sie nicht doch auch um den „Nebenpreis für den Sieger“ – ein mickriges, holzgefertigtes Reh – ernsthaft kämpfen. Immerhin gab es ja für dessen Erwerb noch mehr Ranglistenpunkte, und wer weiß, vielleicht hatte sie ihre Wohnzimmer-Dekoration ja auch schon abgeschlossen und keine Verwendung mehr für das silbrige Ungetüm?

Jedenfalls hält Anja das Match gegen Karl bis zu einem Stand von 6:6 erstaunlich offen und ist auch einige Aufnahmen später mit 8:9 immer noch gut im Rennen. Und nun offenbart Karl zudem Angriffspunkte, jedenfalls spielt er seine darauffolgende Legkugel viel zu kurz. Ein aufmunterndes „Allez Anja!“ erschallt von den Rängen, aber ihr sehr lang geratener Wurf übertrifft die vorhergehende so knapp, dass gemessen werden muss. Nun läuft Karl zu Hochform auf, sein aus der Hocke geworfenes Hochportée landet 30 cm vor dem Ziel und bleibt genau dort liegen. Anja wagt einen Schuss und trifft auch, aber die Kugel geht nur zur Seite weg und bleibt auf Punkt liegen. Immerhin ist der Weg zum Ziel nun frei, und Anja gelingt es, tatsächlich auf geradem Weg zum Cochonnet zu gelangen. Doch Karls Nerven versagen nicht, er trifft sauber und verschafft sich zudem durch eine glückliche Karambolage noch einen zweiten Punkt: 11:8!

Nun will Karl das Spiel schnell entscheiden und legt seine Kugel auf neun Meter Entfernung bis kurz vor die Sau. Aber Anja lässt sich nicht entmutigen, gleich ihre erste Kugel trifft unter den Jubelrufen der „Boule Rouge“-Gemeinde! Doch sie hat noch nicht den Punkt, was sie aber umgehend nachholt. Karl ist nun im Kugelvorteil und es gelingt ihm… ein „Carreau sur place“! Nun sieht es danach aus, als würden Anja die Felle davonschwimmen, auch wenn als Trostpreis natürlich immer noch der Baum da ist…

Und diesen Preis muss Anja dann wohl oder übel nehmen, nachdem Karl eine weitere Kugel von ihr entsorgt hat. Er bleibt ungeschlagen und ist der souveräne Sieger dieses Turniers. Aber ist er auch wirklich ein Champion, so ganz ohne Baum?

A-Turnier

Sieger: Karl Blütchen (LPC Leipzig)
2. Platz: Anja Herrmann (La BR Dresden)
3. Platz, ex aequo: Detlef Schwede (1. Chemnitzer PC) und Matthias „Tiddel“ Häusler (La BR Dresden)

Viertelfinalverlierer:

Raimund Ottow (Weimar; gegen Karl); Andreas Endler (Dresden; gegen Anja); Mario Weidner (Reichenbach; gegen Detlef); Heiko Trampler (Horken-Kittlitz; gegen Tiddel)

B-Turnier

Sieger: Fethi Aouissi (La BR Dresden)
2. Platz: Fabio Trampler (LPC Leipzig)
3. Platz: Volker Drusche (vereinslos); 4. Platz: Theo Däbitz (La BR Dresden)

C-Turnier:

Siegerin: Sabine Friedel (La BR Dresden)
2. Platz: Richard (Nabouleon Reichenbach/OL)

Karl Blütchen, der „unterlegene“ Sieger
Diesmal auf Platz 3: Vorjahrsvize Detlef, zusammen mit Tiddel
Sieger im B: Fethi
Vize-B: Fabio
Richard und Sabine, Platz 2 und 1 im C
Finale Anja gegen Karl
Abwurf Karl
Abwurf Anja