von Detlef Schwede
Der 1. Chemnitzer PC wurde auf Initiative des französischen Kochs und Restaurantbetreibers Christian Laffont sowie einiger weiterer Bouleinteressierter 1996 gegründet und ist somit der älteste derzeit existierende Verein innerhalb der PVT-Landschaft. Jedoch hatte der Club im Laufe seiner Geschichte lange Zeit mit Widrigkeiten zu kämpfen, so etwa der Abwanderung ebenselbigen Gourmets und weiterer Franzosen bereits in den Gründerjahren. Es war daher nur ein eingeschränkter Spielbetrieb möglich, die Liga musste weitgehend mit besseren Hobbyspielern bestritten werden, die Resultate waren dementsprechend bescheiden. Nur die beiden vorwiegend in Leipziger Kreisen oft mit der – aufgrund der geringen Auswahlmöglichkeit absurden – Bezeichnung “Lieblingschemnitzer“ versehenen Boulisten Hartmut Lohß und Detlef Schwede reisten regelmäßig zu Turnieren und trainierten sogar im Winter. Doch auch hier waren die Erfolgserträge überschaubar, es sprangen zwar hie und da zweite und dritte Plätze heraus, ganz große Würfe gelangen hierzulande jedoch nur wenige, etwa 2001, als nach einem nie für möglich gehaltenen 13:11-Triumph gegen das in der PVT-Prähistorie als unschlagbar geltende Leipziger Erfolgsduo Jens Riedel/Thomas Voigt der Sieg im Stotternheimer “Bürgermeister Götze Turnier“ heraussprang, oder 2003, als man nach zuvor intensivem Training auf der gefürchteten “Chemnitzer Schräge“ die Gegner nach gelungener Platzwahl jeweils auf das für sie ungewohnte unebene Terrain locken und die heimischen Lorbeeren ernten konnte.
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Diese Zeiten aber sind lange vorbei, und seit der PVT-Gründung im Jahre 2004 ist es nie wieder einem Chemnitzer Team gelungen, die oberste Stufe eines regionalen Siegertreppchens zu erklimmen. Im Gegenteil, im Zuge des allgemeinen Leistungsaufschwungs der Pétanque-Hochburgen Halle, Leipzig und Dresden wurden die stagnierenden Chemnitzer oft nur belächelt, teilweise sogar mit Hohn überschüttet.
In den letzten knapp zwei Jahren gelang es dann überraschend, den Hebel umzulegen. Neue Spieler erreichten den Schloßberg, viele von ihnen Studenten, trainierten eifrig und reduzierten peu à peu den Leistungsabstand zu den führenden Vereinen. Diese verstärkten Aktivitäten machten sich bei den letzten PVT-Ereignissen zunächst eher quantitativ bemerkbar, es gelangen aber auch hin und wieder qualitätsmäßige Nadelstiche, die die Konkurrenz aufhorchen ließen.
Bei der 5. Stadtmeisterschaft Kahla waren die Chemnitzer mit vier Doublettes vertreten und stellten damit ein Fünftel des Starterfelds. Übertroffen wurden sie damit nur von Dresden, das genau 6½ Teams dabei hatte, zahlenmäßig erreicht lediglich von dem nahen Jena. Weimar und Kahla rundeten die Thüringer Präsenz mit jeweils zwei Vertretungen ab. Halle scheint derzeit boulistisch übersättigt und entsandte nur Gunnar Richter und dessen ehrgeizigen neunjährigen Sohn Noah. Ein Urgestein aus Leipzig konnte nicht fehlen: Jens Riedel. Er spielte zusammen mit dem Ex-Chemnitzer (siehe oben!) Hartmut Lohß und galt als einer der Favoriten.
Ebenfalls mit begründeten Erfolgsaussichten waren die Jenaer Peter Adrian und Andrei Kriwoscheew angereist. Ihre Hoffnungen auf den Siegerpokal zerstoben aber bereits in der zweiten Runde auf kaum glaubliche Weise: Gegen die Chemnitzer Andreas Weiß/Detlef Schwede dominierten sie den Auftakt und zogen – auch dank einiger überragender Carreaux-sur-place-Schüsse von Peter – vermeintlich unaufholbar mit 9:0 davon. Erst dann gewann Chemnitz seinen ersten Punkt, und profitierte anschließend eiskalt von den bei Turnierstart vereinbarten Terrain-libre-Bedingungen: Der Boden wurde getauscht, man spielte nun in tiefem Gelände, in dem die Legwürfe besser ans Ziel kamen. Rasch konnte der Ergebnisausgleich erzielt werden, profitierend allerdings auch von einem glücklichen Sauzug, der drei Punkte einbrachte. In der letzten Aufnahme dann das Jenaer Malheur: 12 liegt für Chemnitz, aber ein Hochportéewurf von Andrei landet versehentlich auf einer gegnerischen Kugel und befördert sie bis nahe an die Sau. Peter hat zwar noch einen Schuss zum Korrigieren im Köcher, erreicht das mittlerweile jenseits der zehn Meter liegende Ziel jedoch nicht: Aus und vorbei, von diesem Schicksalsschlag erholen sich die beiden nicht mehr und landen am Ende auf einem für sie enttäuschenden achten Platz.
Die beiden Chemnitzer verlieren zwar ihre nächste Partie klar mit 2:13 gegen Dieter Büttner/Patrick Lehmann aus Dresden, vor allem deshalb, weil Patrick auf dem ungewohnten Schottergelände die passenden Portée-Antworten hat. Dann aber gelingt ihnen endlich ein Sieg bei der Platzwahl, und sie begeben sich auf das in der zweiten Runde glücksbringende Terrain, wo sie – hochgelost – die bis dahin ungeschlagenen Weimarer Denis und Oliver besiegen können, wenn auch auf extrem nervenaufreibende Weise: beim Stand von 12:10 für Chemnitz legt Weimar mit der letzten Kugel zwei Punkte, Chemnitz hat zwar noch fünf in der Hand, aber Detlef passiert das gleiche Missgeschick wie oben gesehen Andrei: ein verunglückter Portéewurf bringt eine dritte feindliche Kugel nach vorn, im Moment ist Weimar der Sieger. Und schlimmer noch: die nächsten drei (!) Kugeln verfehlen sämtlich das Minimalziel, den Weimarer Vorsprung wenigstens um einen Punkt zu reduzieren. Dann bringt Andy die letzte Patrone ins Spiel, und, welch Wunder, die Kugel geht direkt an die Sau…
Nun sind die Chemnitzer wie im Rausch, und nicht einmal eine verlorene Platzwahl kann sie von ihrem Erfolgsweg abbringen. Wieder hochgelost geht es in der fünften und letzten Runde gegen die mit vier Siegen souverän die Konkurrenz anführenden Dresdner Heiko Plötz und Stefan Lauche. Diese beginnen nun aber plötzlich zu schwächeln, besonders die Schussleistungen lassen zu wünschen übrig. Mehrmalige Wechsel der Kompetenzbereiche führen zu keinem Erfolg, Chemnitz gewinnt souverän mit 13:6.
Damit ist Chemnitz aber noch lange nicht Turniersieger. In einer nicht enden wollenden “6. Runde“ werden die Buchholz- und Feinbuchholzpunkte berechnet, denn nicht weniger als fünf Teams haben die gleiche Anzahl von Siegen, nämlich vier. Doch auch am Rechenbrett kann sich Chemnitz schließlich durchsetzen – über Sinn und Unsinn des Schweizer Systems wollen wir an dieser Stelle nicht debattieren, das wurde in der Vergangenheit zur Genüge getan und hat, so scheint’s, immer noch nicht zu einem flächendeckenden Umdenken der Vereine geführt…
Zu erwähnen bleibt noch der erstaunliche sechste Platz von Gunnar und seinem Sohn: Innerhalb kürzester Zeit hat sich Noah zu einem überragenden Schießer entwickelt, und sollte, sofern er die Klippen der Pubertät gefahrlos umschiffen kann, irgendwann auch auf einer höheren Ebene als der des PVT Aufmerksamkeit erregen.
Die besten sechs Teams:
1.Andreas Weiß/Detlef Schwede (1. Chemnitzer PC) 4/16/70/+8
2.Heiko Plötz/Stefan Lauche (La Boule Rouge Dresden) 4/16/65/+21
3.Dieter Büttner/Patrick Lehmann (La Boule Rouge Dresden) 4/12/72/+30
4.Anja Herrmann/Jörg Kriebel (La Boule Rouge Dresden) 4/12/71/+7
5.Jens Riedel/Hartmut Lohß (Leipzig/Dresden) 4/11/73/+22
6.Noah Richter/Gunnar Richter (Bamboule Halle) 3/16/67/+8