DM 55+ Ensdorf/Saar: Der unerreichte Gipfel

Siegestrunkene Chemnitzer vor dem Saarpolygon

Auf dem Hochplateau der Ensdorfer Bergehalde befindet sich eine auffällig große Plastikskulptur, die dort 2016 errichtet wurde, um an den seit 2012 beendeten Steinkohlebergbau im Saarrevier zu erinnern. Dieses sogenannte Saarpolygon sieht man auch im Vereinswappen des ortsansässigen Boulevereins und ist von den Spielplätzen, auf denen die 13. Deutsche Meisterschaft 55+ ausgetragen wurde, deutlich zu erkennen.

Das aus den Chemnitzer Spielern Ingo Wonsack, Peter Günther und Detlef Schwede bestehende Team Ost01 war nicht nur von dem Kunstwerk an sich beeindruckt, sondern auch von der Tatsache, dass ein 7km langer Wanderweg steil dorthin nach oben führte. Und plötzlich kam ihnen der Gedanke, dass sich diese Tortur auch als Druckmittel verwenden lassen könnte: „Wenn wir heute versagen und die DM frühzeitig für uns beendet ist, dann wandern wir zur Strafe da hoch!“ war somit der einmütige Tenor.

Dementsprechend konzentriert ging man die erste Vorrundenbegegnung an. NRW7 war hier der Gegner, ein bunt zusammengewürfeltes Team aus dem westfälisch-bergischen Raum. Und gleich gelingt es, den Gegner zu überraschen, nach zwei Aufnahmen liegt Ost01 mit 4:0 in Führung!

Wenig später scheint sich dann aber alles weitgehend in Richtung „normal“ eingependelt zu haben: Die Konzentration der Chemnitzer, die auf dem schwer zu bespielenden „Kullerboden“ Legprobleme haben, lässt nach, der Gegner dreht auf, bis zu einem Zwischenstand von 4:9. Entsetzt geht schon der Blick nach oben zum Berg…

…aber dann beginnen auch die NRW-Cracks zu schwächeln und Ost01 stößt gnadenlos in die Wunde: Erst gelingt ein 2er-Pack, dann gar eine 5er-Aufnahme!

11:9, aber in der nächsten Aufnahme schaffen die Chemnitzer es nicht, den Sack zuzubinden, sie gewinnen „nur“ einen einzigen Punkt…

Das könnte fatal sein, aber Detlef spricht das „unheilvolle“ Wort diesmal nicht aus…

Er legt stattdessen die nächsten beiden Kugeln zwingend, und der Gegner beißt sich daran die Zähne aus: Die Ingo- und Peter-Kugeln werden nicht mehr benötigt: 13:9, der erste Sieg ist eingetütet!

Und der Berggipfel scheint plötzlich in weite Ferne gerückt, kann aber natürlich immer noch erreicht werden…

Denn der nächste Gegner ist geballte Damenpower: Ellen Hagenlocher, Liane Baumgartner-Buck und Anita-Dolores Barthelemy, in ihrem Ba-Wü-Ländle an Nummer 6 gesetzt.

Sie hatten zuvor Nord04, das Team um Peter Blumenröther, mit 13:3 abgefertigt, und der Ex-DPV-Präsident warnte die Chemnitzer eindringlich vor deren effizienten Legewürfen und den nahezu gleichwertigen Schusskünsten aller drei Komponenten…

Und in der Tat, nach zwei Aufnahmen liegt Chemnitz bereits 1:4 hinten…

Dann gelingt wenigstens ein Punkt, 2:4, vielleicht wird doch alles nicht gleich ganz so schlimm.

Doch statt „nicht schlimm“ wird es sogar radikal besser, die Frauen versagen plötzlich und unerklärlicherweise kollektiv bei Legen und Schießen, und die Chemnitzer nutzen die Chance, gewinnen auf einen Schlag fünf Punkte zum 7:4!

Dieser Befreiungsschlag hilft erstmal weiter, doch die Fortsetzung zum ersehnten Triumph gestaltet sich dennoch zäh: Die Baden-Württembergerinnen wehren sich, die nächsten Aufnahmen werden eng, und schließlich wird ein Zwischenstand von 9:6 erreicht.

Nun macht Chemnitz wieder verstärkt Druck: 11:6, aber dann kontert BaWü6: nur noch 11:8…

Aber wiederum gelingt Chemnitz der Sprung ins sogenannte (Wie heißt es noch gleich?)-Loch…

Diesmal jedoch ist der Ausgang nicht so leicht zu finden, der Gegner kommt unaufhaltsam heran: 12:9, 12:10…

Detlef hat die Nase voll, er hat keine Lust mehr, auf diesem Kullerboden noch weiter zu spielen. Das Vordringen in die K.O.-Runde würde einen angenehmeren Untergrund gewährleisten…

Er verlegt, ist irgendwie neben der Spur. Aber Peter nimmt ihm die Last: er drückt die entscheidende Kugel nach vorn, die BaWü-Girls haben keinen Pfeil mehr im Köcher: 13:10!!!

Nun hat der PV Ost einen Startplatz mehr, alles Weitere ist nur noch Entspannung, und vor allem eine Sache ist klar: Der Berggipfel wird an diesem Tag nicht mehr erreicht!!!

Weniger Fortune hat Ost02 (Albert Wendt und Heiko Kalies, beide Leipzig, sowie Dieter Büttner, Chemnitz), die es aber immerhin bis in die Barrage schaffen.

Hier treffen sie nach einem souveränen Sieg gegen BaWü16 zum zweiten Mal auf NRW02, einem Team aus der Pétanque-Hochburg Ibbenbüren.

Schon die erste Begegnung war knapp: man unterlag hier mit 10:13.

Aber nun wird es noch extremer, es steht 8:8, dann 8:9.

Dann sorgt ein Carreau-sur-place von Dieter sowie sauber gelegte Kugeln von Heiko und Albert für ein 4er-Pack: 12:9, das müsste doch eigentlich reichen…

Aber dann geht der Schuss doch noch nach hinten los, unerklärlicherweise verlegt Ost02 sämtliche Kugeln und ebnet dem Gegner den Weg zum Viererpack. Das war’s!

Für Ost01 geht der Fight indes weiter, nächster Gegner ist Rheinland-Pfalz04. Doch Chemnitz kommt schlecht ins Spiel, insbesondere Detlef hat auch auf dem neuen Spielboden zunächst Schwierigkeiten, der Gegner verblüfft hingegen mit einem lupenreinen „Sur place“, und so kassiert man erstmal einen 0:2-Rückstand.

Dann aber läuft es nach und nach immer besser: 2:2, 3:2, 6:2, 7:2!

Aber nun kommt der Gegner wieder besser auf: 7:4, 7:6…

Und es wird noch schlimmer: Detlefs erste Kugel kollidiert mit der vom Gegner weit vor die Sau gelegten „taktischen“ Kugel, und auch alle anderen Kugeln werden von den Chemnitzern schlecht gelegt. Folgerichtig gelingt RP4 ein 5er-Pack, es steht 7:11…

Zwar muss man nicht auf den Berg, sieht aber stattdessen nun die eigenen Felle in der Saar davonschwimmen. Die DM droht für Ost01 ein abruptes Ende zu nehmen…

Doch Chemnitz zeigt endlich wieder sein Kämpferherz, kommt ran bis auf 9:11…

…und dann schaffen sie sogar ein Dreierpack, wenn auch mit der Hilfe des Schiedsrichters, der bei einer knappen Messentscheidung Chemnitz den dritten Punkt zubilligt…

Zum dritten Mal an diesem Tag steht für das Ost-Flaggschiff die Zahl 12 auf dem eigenen Konto!

Aber mittlerweile sind sie ja schon geradezu Experten auf diesem Gebiet. Und in der Tat ist jetzt der Gegner eher verunsichert als die Chemnitzer: Detlef legt seine erste Kugel souverän genug, denn der Gegner kann machen, was er will, keiner kann sie übertreffen oder wegschießen!

Nun hat man sich auf dem Platz eingespielt, und darf im Sechzehntel-Finale gleich hier weiterspielen. Doch der Gegner, Saar01 (Jacques Wolf, Dirk Hoppe, Sylvain Haritonidis) beeindruckt die Gegner allein schon durch seine massige physische Präsenz…

Gleich bei der ersten Kugel bauen sich die Kahlköpfe einen Meter hinter der Zielkugel auf und bilden eine undurchdringbare, rote Wand…

Egal, Detlef zieht einfach seine Kappe nach unten und legt trotzdem an die Sau…

Doch sofort gelingt den Saarländern ein Carreau sur place, und die Chemnitzer haben Glück, dass es nach der ersten Aufnahme nur 0:2 steht…

Dann aber geschieht Überraschendes, die Gegner schießen auch mal daneben, experimentieren herum…

Chemnitz kommt ins Spiel und zieht gar mit 7:2 davon!

An dieser Stelle stellt Detlef ungläubig die Frage: „Bin ich vielleicht im falschen Film?“

Das hätte er mal lieber bleiben lassen! Sofort werden die Filmrollen gewechselt, und vier Aufnahmen später ist für Ost01 der Traum ausgeträumt: 7:13!

Immerhin ist man aber 17. bei der DM geworden, und „on top“ wird den Chemnitzern am Ende von den siegreichen Saarländern auch noch das Prädikat „coole Ossis“ verteilt!

Die 17. der DM: Detlef Schwede, Ingo Wonsack und Peter Günther
Ost02 kann wieder lachen: Heiko, Albert, Dieter
Au Backe! Was ging da schief?
Da ist auch Albert ratlos…
Snapshots für die Ewigkeit: der Spring ins A-Turnier…
…und das Ergebnis im 16tel-Finale!

 

 

One Reply to “DM 55+ Ensdorf/Saar: Der unerreichte Gipfel”

  1. Danke für den schönen Artikel und Glückwunsch an Euch drei – saubere Leistung.